Eschweiler Biographien

Von Simon Küpper und Armin Gille

Christine Englerth, geb. Wültgens, Tochter des Landwirts und späteren Bergwerkbesitzers Johann Peter Wültgens, heiratete den kurpfälzischen Hauptmann Carl Englerth. Als sie 1814, ihr Vater war schon lange tot, ihr Mann auch gerade gestorben, die Leitung des gesamten Bergwerksbesitzes übernahm, ging sie zielstrebig daran, ihre südlich der Inde bei Eschweiler gelegenen Kullen, die Kohlengruben, weiter auszubauen, die Gruben anderer Gewerken zu erwerben und ihre eigenen Konzessionen auszudehnen. Christine Englerth starb am 4. Mai 1838, siebzigjährig, an einem Schlaganfall.

»Sie haben Courage, Mevrouw Englerth!« Wie oft mag die zierliche Frau mit den wachen dunklen Augen diesen Ausruf aus ihrer Umgebung vernommen haben? Halb bewundernd und halb besorgt hatte es oft geklungen. Ja, Courage hatte sie genug bewiesen in ihrem Leben. Damals, als sie noch Christine Wültgens hieß und als Tochter des Landwirts und späteren Bergwerksbesitzers Johann Peter Wültgens, und gerade siebzehn geworden, halb gegen den Willen des Vaters, den kurpfälzischen Hauptmann Karl Englerth heiratete und ihm in der Folge der Jahre dreizehn Kinder schenkte.
Courage auch, als sie 1814 nach dem Tod des Vaters und ihres Mannes die Leitung des gesamten Bergwerksbesitzes übernahm und oft nicht wusste, wie sie am Wochenende ihre Arbeiter bezahlen sollte. Dennoch ging sie zielstrebig daran, ihre südlich der Inde bei Eschweiler gelegenen Kullen, die Kohlengruben, weiter auszubauen.
»Sie haben Courage, Mevrouw Englerth!« Hatte dies nicht zuletzt auch der Eschweiler Notar Kaspar Friedrich Voßen gesagt, bei dem sie am 2. August 1834 mit ihren zehn noch lebenden und jetzt großjährigen Kindern erschienen war, um jenen Vertrag abzuschließen, der nach ihrem Tod den Eschweiler Bergwerks-Verein als erste deutsche Bergbau-Aktiengesellschaft ins Leben rufen sollte. So gedachte sie, ihren Besitz, für den sie mehr als ein halbes Menschenleben lang gekämpft und gearbeitet hatte, ungeteilt zu erhalten. Ihre Erben sollten ihn nicht zersplittern, sondern Anteile-Aktien am großen Ganzen erhalten.
Christine Englerth starb am 4. Mai 1838, siebzigjährig, an einem Schlaganfall. Zwei Wochen später, am 19. Mai 1838, tagte unter dem Vorsitz ihres ältesten Sohnes Wilhelm Englerth die erste Generalversammlung der neuen Aktiengesellschaft. Dies war die Geburtsstunde des Eschweiler Bergwerks-Vereins (EBV).
Der Verwaltungsrat des EBV protokollierte bei der ersten Generalversammlung am 19. Mai 1838: »So setzte Christine Englerth die ganze Provinz in Bewunderung ihrer Eigenschaften und legte uns, den Erben von den Früchten ihres Fleißes, die heilige Pflicht auf, ihrem Vorbilde nachzustreben, um ein Werk weiter auszubilden, das dem Lande eines der ersten Bedürfnisse, tausend Familien Arbeit und Brot und uns einen Wohlstand gewährt, den wir dankbar, mildtätig und in Fleiß genießen wollen. Eintracht sei unsere Losung! Dann wird der Gruß ›Glück auf‹ seine glückliche Erfüllung behalten.«

In der Franzosenzeit (1794–1814) verschlug es den aus dem Saarland stammenden Johann Heinrich Graeser nach Eschweiler, nachdem er in deren Dienste getreten und 1798 zum Kommissionsassistenten bei der topographischen und unterirdischen Kartenaufnahme der Bergwerke, Hütten und Fabriken ernannt worden war. Als tüchtiger Fachmann erkannte er, welch reiche Kohlenschätze hier verborgen waren. Nach genauem Studium hatte er der französischen Regierung einen umfassenden Plan für den zukünftigen Betrieb der Eschweiler Kohlengruben vorgelegt.
Seine umfassenden und klaren Prognosen blieben den Familien Wültgens/Englerth nicht verborgen. Sie gewannen Graeser als Direktor ihrer Gruben, deren Gesamtleitung er 1802 übernahm. Besondere Verdienste erwarb er sich durch seine erfolgreichen Bemühungen um den Zusammenschluss der Betriebsanlagen. Graesers gute Kontakte zu den französischen Behörden waren besonders geeignet, den umfangreichen Ausbau des Wültgens-Englerthschen Bergwerkbesitzes frühzeitig mit unbestreitbarem Erfolg mitzugestalten.
1802 erfolgte der Umbau des bereits 1747 errichteten Magazins zum Wohnhaus für den Grubendirektor Johann Heinrich Graeser, heute Stolberger Straße 4 in Pumpe. Bis zum Tode von J. H. Graeser im Jahre 1857 wohnte er mit seiner Familie in diesem nach ihr benannten Haus, das unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Graeser selbst wurde am 30. September 1774 in Saarbrücken als fünftes von 13 Kindern geboren. Schon mit 15 Jahren hatte er das Gymnasium seiner Vaterstadt absolviert. Er widmete sich vielseitigen Studien in Heidelberg, insbesondere der Beschäftigung mit dem Berg-, Hütten- und Fabrikwesen sowie der Jurisprudenz. Ab 1838 war Direktor Graeser in Diensten des EBV. Auf »Grube Zentrum« wurde um 1840 durch Ausweitung des Abbaugebietes und Abteufen der sogenannten um 50 Lachter tiefer gelegenen »Graesersohle« die damalige Kohlenförderung gesteigert. Dies geschah auch durch eine verbesserte Wasserkunst.
Am 1. April 1847 zog Direktor Graeser sich von der Grubenleitung zurück. Sechsundvierzig Jahre lang war dieser Mann um die Entwicklung des Eschweiler Steinkohlenbergbaues eifrigst bemüht gewesen! Am 14. Februar 1857 verfuhr er, 83 Jahre alt, seine letzte Schicht, einen Tag vor seinem Tod am 15. Februar 1857.
Im Jahre 1964 wurde eine in Bergrath nahe der ehemaligen Schachtanlage »Grube Reserve« gelegene Straße nach Johann Heinrich Graeser benannt.
Oskar Stegemann: Der Eschweiler Bergwerksverein und seine Vorgeschichte 1784-1919. Halle a.S. 1910.

Friedrich Englerth wurde als drittältestes von 12 Kindern des Ehepaares Carl und Christine Englerth, geborene Wültgens, am 8. Januar 1793 geboren. Bereits in jungen Jahren wurde Friedrich 1818 Mitgründer einer der wohl ältesten Maschinenfabriken im Rheinland »Englerth, Reuleaux & Dobbs« in Eschweiler-Pumpe, die neue in England entwickelte Maschinen nachbaute und teilweise verbesserte.
Friedrich Englerth hatte die technische Genialität des Engländers Samuel Dobbs als Mechaniker, Ingenieur und Maschinenfabrikant erkannt, der zum Kreise derjenigen gehörte, die die industrielle Revolution im Kreis Aachen mit auslösten. Der Auftrag für die maschinelle Einrichtung der Eschweiler Drahtfabrik im Jahre 1822 ging an das junge Unternehmen. Ende 1832 schieden Dobbs und Friedrich Englerth aus der Firma aus, die seit 1830 als »Jos. Reuleaux & Cie.« firmierte.
Welch hohes Ansehen der junge Friedrich Englerth bereits besaß, lässt sich an seiner Ernennung zum Bürgermeister von Eschweiler in den Jahren 1822 bis 1831 ermessen.
Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung der stark expandierenden Kohlenbergwerke der Familien Wültgens/Englerth stellte hohe Anforderungen an die Erben, als die Mutter und Wwe. Christine Englerth am 4. Mai 1838 verstarb.
Friedrich Englerth wurde zum Präsidenten der Administration von 1838-1847 gewählt und stand an der Spitze des EBV. Ihm zur Seite stand Direktor Johann Heinrich Graeser, dessen Amtsperiode ebenfalls bis zum Jahre 1847 dauerte.
Aus der Korrespondenz Friedrich Englerths von September bis Dezember 1834 ergibt sich, dass Graf Hugo Wilhelm von Hompesch den gesamten Eschweiler Besitz, u. a. die Eschweiler Burg und deren umliegende Ländereien verkaufen wollte. Beide, Mutter Christine und Sohn Friedrich Englerth, einigten sich 1835 auf den Kaufpreis von 40.500 Talern, den Christine Englerth zahlte. Nach dem Tod der EBV-Gründerin erstand bei der Erbteilung deren Sohn Friedrich Englerth die Burg und das gesamte Umland für 5.000 Taler. Dieser ließ die Ruinenreste abtragen und auf den alten Fundamenten für ca. 100.000 Taler eine neue Burg errichten. Die im Volksmund bis zuletzt als »Kaffeemöll« bekannte Eschweiler Burg wurde im Jahre 1845 von Friedrich Englerth bezogen. Sie war noch nicht in allen Details fertig, als ihn am 20. Februar 1848 der Tod ereilte. Zehn Jahre später, am 2. August 1858 erwarb die Hospital-Kommission der Pfarre St. Peter und Paul die Burganlage für 16.000 Taler, um hier ein Hospital errichten zu lassen. Bereits am 18. Dezember 1858 hielten die Franziskanerinnen von Aachen ihren Einzug in die neuen Räumlichkeiten und versahen ihren Dienst.
Hubert Jakobi: Samuel Dobbs, ein englischer Mechanikus in Eschweiler. In: EGV Schriftenreihe 23. Eschweiler: 2004, Seite 49 – 75. — Wolfgang Löhr: Ein wertvolles Objekt – 1835 wird die Burg Eschweiler verkauft. In: EGV Schriftenreihe 27. Eschweiler: 2010, Seite 42 – 47.

Matthias Deckers, Oberpfarrer und Dechant in Eschweiler seit 1853, hat die wirtschaftlich aufstrebende Stadt in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in den Bereichen Gesundheits- und Schulwesen entscheidend mitgeprägt.
Geboren am 14. April 1802 in Köln-Deutz, 1830 zum Priester geweiht, wurde Matthias Deckers am 1. September 1840 als Nachfolger des verstorbenen Pfarrers Anton Ackermann zum Pfarrer von Eschweiler ernannt. Deckers wirkte 35 Jahre lang bis zu seinem Tod am 30. Juni 1875 nicht nur erfolgreich für seine Pfarre, sondern auch für die 1858 zur Stadt erhobene Gemeinde Eschweiler.

Der unter Dechant Deckers Leitung gegründete Hospital-Bauverein erkannte die Gunst der Stunde und erwarb 1858 zum Preis von 16.000 Talern die erst kürzlich vom verstorbenen Friedrich Englerth erneuerte »alte Eschweiler Burg«, um in dieser ein der Größe Eschweilers angemessenes Hospital einzurichten. Auf Deckers Gesuch übernahmen die Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus in Aachen weit über Deckers Tod hinaus bis 1990 den Pflegedienst im St. Antonius-Hospital, das in den Jahren 1962-1967 abgebrochen wurde und einem Neubau weichen musste.
Deckers gründete 1848 in der oberen Grabenstraße 11 in dem Reuleaux`schen Haus die erste Rektoratsschule für Jungen im Landkreis Aachen, die als ein Vorläufer des Gymnasiums angesehen werden konnte. Hier war auch August Thyssen Schüler gewesen. 1858 übernahm die Stadt Eschweiler die Trägerschaft der Schule, die weiter expandierte und in ein Nebengebäude des St. Antonius-Hospitals umzog. Bereits 1863 als Höhere Rektoratsschule anerkannt, konnten deren Schüler 1878 in ein neues Gebäude an der Grabenstraße einziehen. Ein Jahr später wurde die Schule das erste Progymnasium im Kreis Aachen und führte die offizielle Bezeichnung »Gymnasium mit Realprogymnasium und Realschulklassen zu Eschweiler«. Nach dem Umzug der Realschule 1912 zur Peter-Paul-Straße, verblieb im Schulgebäude Grabenstraße das Gymnasium. Die Trennung beider Schulsysteme wurde im Ersten Weltkrieg aufgehoben. Das ehemalige Schulgebäude diente dann als Rathaus und Verwaltungsgebäude, bis es gegen starke Bürgerproteste am 10. Juni 1980 abgerissen wurde und hier die »Rathausresidenz« entstand.

Die heute zum St. Antonius-Hospital führende Straße »Dechant-Deckers-Straße« trägt den Namen der äußerst verdienstvollen Persönlichkeit Matthias Deckers.

Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 19 – 21.

Eine viel beachtete Kunstausstellung im Jahre 1977 in Eschweiler »Preyer und die Düsseldorfer Malerschule« brachte eindrucksvoll zwei Vertreter dieser Malkunst, die Gebrüder Gustav und Johann Wilhelm Preyer, in Erinnerung, die in Eschweiler gelebt und gewirkt haben. Hier soll insbesondere auf den letzteren eingegangen werden.
Schon während seines Studiums an der Düsseldorfer Kunstakademie entschied sich Johann Wilhelm Preyer für die Landschafts- und Stilllebenmalerei und in beiden Sparten des Kunstschaffens hat er es zu einer ungeahnten Perfektion gebracht.
Am 19. Juli 1803 in Rheydt geboren, wuchs Johann Wilhelm Preyer in Eschweiler auf, dessen Vater an der Dürener Straße 28 ein Kolonialwaren- und Materialiengeschäft betrieb. Er war wie sein Bruder Gustav von zwergenhaftem Wuchs mit einer Größe von 98 cm, jedoch mit wohlklingender Stimme. 1822 erhielt er einen Studienplatz an der Düsseldorfer Kunstakademie und war Meisterschüler bei Wilhelm von Schadow. In den Semesterferien kehrten beide Brüder, Johann Wilhelm und Gustav, stets nach Eschweiler zurück, wo sie in der Stadt selbst und in der Umgegend viele Motive für ihre Bilder und Zeichnungen fanden.
Johann Wilhelm Preyer unternahm zahlreiche Studienreisen, größtenteils während seines München-Aufenthaltes von 1837 bis 1843, deren Eindrücke dann Gegenstand seiner später weltberühmten Stillleben wurden. Er malte fast ausschließlich in kleinem Format, vor allem Früchte und Blumen. In dieser Kunst galt er als der bedeutendste Künstler des 19. Jahrhunderts. Viele seiner Werke befinden sich in den USA, andere in deutschen Museen in Rheydt, Düsseldorf, Berlin und München. 1844 kehrte Johann Wilhelm Preyer von München nach Düsseldorf zurück, heiratete und erwarb ein Haus in Düsseldorf, Gartenstraße 33, in dem es sehr gesellig zuging. In Düsseldorf lehrte er viele Jahre als Kunst-Professor und gründete 1848 den Künstler-Verein »Malkasten«.
Johann Wilhelm Preyer, hochgeehrt und bereits zu Lebzeiten als internationaler Künstler anerkannt und geschätzt, erreichte ein gesegnetes Alter und starb 1899, sechsundneunzigjährig. Seine beiden Kinder Paul und Emilie wurden später auch Maler, die vorwiegend Stillleben mit Früchten und Blumen malten.
Im Jahre 1955 beschloss der Eschweiler Stadtrat in Erinnerung an die »Malerzwerge« Gustav und Johann Wilhelm und deren Schwester Louise die Umbenennung der Kasernenstraße in Preyerstraße.
Kunstausstellung Preyer und Düsseldorfer Malerschule 1977. — Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 22 – 24.

Franz Reuleaux wurde am 30. September 1829 in Eschweiler-Pumpe geboren. Der Vater war Teilhaber der Maschinenfabrik Englerth, Reuleaux & Dobbs (heute ESW-Röhrenwerke). Franz Reuleaux war der Begründer der Kinematik und erster Direktor der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg.
Wohl selten in der Geschichte des Aachener Raumes ist einem Forscher ein solch internationaler Ruf beschert gewesen wie Franz Reuleaux. Franz Reuleaux entstammte einer angesehenen und alteingesessenen Technikerfamilie. Nach einer praktischen Ausbildung in verschiedenen Betrieben des Maschinenbaues besuchte Franz Reuleaux die Polytechnische Schule in Karlsruhe. Es folgten erfolgreiche Jahre als Unternehmer, Konstrukteur und Wissenschaftler. Im Jahre 1864 ging er nach Berlin, wo ihm eine Dozentur am Gewerbeinstitut angetragen wurde. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Technischen Deputation für das Gewerbe. Vier Jahre später war Reuleaux Direktor dieser Anstalt, die sich jetzt »Gewerbeakademie« nannte.
In all diesen Jahren reifte bei ihm eine neue, bahnbrechende Theorie: er beschäftigte sich in zunehmendem Maße mit der Getriebelehre, die um diese Zeit noch kümmerlich zwischen den anderen, stärkeren Wissenschaftszweigen wie Mechanik und Festigkeitslehre dahinvegetierte. Erst Reuleaux gab der Kinematik (oder Getriebelehre) eine für den Maschinenbau voll verwertbare Form. Die Grundlage, die er nun erarbeitet hatte, wurde in der ganzen wissenschaftlichen Welt mit Aufmerksamkeit verfolgt. Ein bahnbrechendes Werk war seine Theoretische Kinematik, das er 1875 vollendete. In diesen Jahren befasste sich Franz Reuleaux auch intensiv mit der Reorganisation des deutschen Kunstgewerbes und stellte dafür wichtige Grundsätze und Richtlinien auf. Eine besondere Ehre war es für Reuleaux, als er auf der Weltausstellung in Philadelphia, 1876, zum Vorsitzenden der Deutschen Jury berufen wurde. In seinen Briefen aus Philadelphia machte er auf Missstände innerhalb der deutschen Wirtschaft aufmerksam, die durch ihre Offenheit großes Aufsehen erregte. Sein Ausspruch »Deutsche Waren sind billig und schlecht« rüttelte die Unternehmer auf und veranlasste die Industrie, bessere Waren herzustellen.
Auf den Weltausstellungen in Sydney (1879) und Melbourne (1881) leitete Franz Reuleaux als Reichskommissar die deutsche Abteilung. In den achtziger Jahren des 19. Jh. war er maßgeblich an der Schaffung eines einheitlichen Patentgesetzes beteiligt.
Am 20. August 1905 starb Franz Reuleaux, 76jährig, in Berlin-Charlottenburg.
Vor der dortigen Universität wurde ein Standbild mit folgender Inschrift gesetzt: »Franz Reuleaux – dem Forscher und Lehrer, Ergründer des Zusammenhanges der Technik mit Wissenschaft und Leben.« Seine Vaterstadt Eschweiler benannte 1929 eine Straße nach ihm.
Klaus Günther Glenewinkel: Franz Reuleaux und sein Wirken. In: EGV Schriftenreihe 4. Eschweiler: 1981, Seite 81 – 86. — Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 29 – 31.

Am 30. September 1860 übernahm Peter Liesen im Alter von 23 Jahren die Leitung der damaligen Rektoratsschule in der oberen Grabenstraße 11, die anschließend einen erfreulichen Zuwachs an Schülern verzeichnen konnte. Die Schülerzahl stieg von 39 (1860) über 118 (1865), 210 (1875) auf 252 (1902). Liesen verband mit liebevoller Hingabe an der Sache ein mehr als gewöhnliches Geschick als Lehrer mit dem Amt als Leiter der Rektoratsschule, die 1879 zu einem Progymnasium aufstieg.
Peter Liesen, geboren am 13. März 1837 in Köln, studierte Theologie und Philosophie in Bonn. Nach seiner Priesterweihe 1860 erhielt er seine erste und einzige Anstellung in Eschweiler als vierter Kaplan unter Dechant Matthias Deckers.
Es war schon ein günstiges Geschick, als dem aus der Geschichte des Eschweiler Gymnasiums nicht wegzudenkenden Rektor und späteren Direktor Liesen die Leitung der Schule überantwortet wurde. Sein Hauptziel war der Ausbau der Rektoratsschule zum Progymnasium mit vollberechtigten Realklassen ab Untertertia. Dieses Ziel erreichte er 1879 (siehe auch Dechant Matthias Deckers). Über 40 Jahre stand er der Schule vor, baute sie zu einem Progymnasium mit angeschlossenen Realklassen aus und leitete zum Schluss seiner Amtszeit die Wege ein, die das Progymnasium zur Anerkennung als Vollgymnasium 1902 führte.
Zu Beginn des Schuljahres 1902/1903 legte Liesen als erster Leiter des Progymnasiums die Bürde des Amtes nieder. Unter seiner Führung hatte sich eine sehr bescheidene Rektoratsschule zum besuchtesten Progymnasium von ganz Rheinland und Westfalen entwickelt. Ehe er aus dem Amt schied, war die letzte Vollendung des Ausbaues zum Vollgymnasium in die Wege geleitet.
»Leider gingen die vielen ehrenden Wünsche, die Peter Liesen bei seiner Verabschiedung ausgesprochen wurden, nicht in Erfüllung. Nicht lange konnte er sich des wohlverdienten Ruhestandes erfreuen. Am 20. November 1905 starb Peter Liesen in Godesberg. Er vermachte der Schule zu dem bereits früher geschenkten Kapital die Summe von 24.000 Mark, deren Zinsen ›fleißigen und braven Schülern aus Eschweiler‹ zugute kommen sollen«, schreibt Ulrich Reinartz, Leiter des Städtischen Gymnasiums von 1998 bis 2010 in der 2005 erschienenen Festschrift 100 Jahre Städtisches Gymnasium, 125 Jahre Progymnasium.
Erst im Jahre 1971 erinnerte man sich der Stiftung und gründete einen Ausschuss zur Verteilung der Zinsen aus der Peter-Liesen-Stiftung. So lebt der Geist von Peter Liesen noch heute, nach mehr als hundert Jahren, in der Schule weiter.
Seit 1956 trägt die Peter-Liesen-Straße nahe dem städtischen Gymnasium seinen Namen.
Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Gymnasiums der Stadt Eschweiler und der Vereinigung der ehemaligen Schüler und der Freunde des Eschweiler Gymnasiums 1955 — 100 Jahre Städtisches Gymnasium Eschweiler 1905-2005. Festschrift. Eschweiler: 2005.

August Thyssen, Gründer des weltbekannten Konzerns (heute Thyssen-Krupp), wurde am 17. Mai 1842 in Eschweiler, Mühlenstraße 15, als Sohn eines kleinen Bankiers, der zugleich Leiter der Eschweiler Drahtfabrik war, geboren. Hier wuchs er sozusagen in die Fachbegriffe kaufmännischen und unternehmerischen Denkens hinein.
Der gebürtige Eschweiler begann mit einem Bandeisenwerk bei Mülheim (Ruhr) und setzte seine Aktivitäten fort mit der Gründung oder der Übernahme von Eisenhütten, Stahl- und Walzwerken, Maschinenfabriken, Bergwerken und sogar von Reedereien und Hafenanlagen. Viele Städte zwischen Rhein, Ruhr und Wupper geben heute noch Zeugnis von seinem langjährigen und erfolgreichen Wirken. Galt er doch durch sein eisernes Pflichtgefühl, seine unermüdliche Arbeitskraft und vor allem durch die spartanische Einfachheit seiner Lebensführung überall als Vorbild. Mit seiner Vaterstadt blieb August Thyssen zeitlebens durch persönliche und verwandtschaftliche Beziehungen eng verbunden.
Am 4. April 1926 starb der Großindustrielle und Eschweiler Ehrenbürger August Thyssen. Sein Tod fand Anteilnahme und war Anlass zu zahlreichen Nachrufen, in denen Leben und Werk dieser Persönlichkeit gewürdigt wurden – als Gründer des weltbekannten Konzerns, der seinen Namen auch heute noch trägt.
1922 wurde er mit 80 Jahren Ehrenbürger der Stadt Eschweiler. Auf dem Gelände, wo einst das Geburtshaus von August Thyssen stand, hat die Stadt Eschweiler ein modernes, weitläufiges Sportzentrum errichtet, dessen Eingangshalle eine von der August-Thyssen-Hütte gestiftete Bronzeplastik eines Mädchens ziert. Die Straße, die jetzt seinen Namen trägt, weist in die Zukunft: Sie grenzt das moderne Eschweiler von einem seiner älteren Stadtteile ab.
Wolfgang Rüsges: August Thyssen und Eschweiler. In: EGV Schriftenreihe 5. Eschweiler: 1983, Seite 53 – 61. — Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 38 – 41.

Dr. Franz Cramers Wirken in Eschweiler war von kurzer Dauer, doch dafür umso erfolgreicher. Der Pädagoge, Philologe, Altertumsforscher und Lokalhistoriker wurde 1902 an die Inde als Direktor des Progymnasiums Eschweiler berufen, damals noch in der Grabenstraße im späteren Rathausgebäude untergebracht. Bereits 1905 erhielt das Progymnasium unter Cramers Leitung die Anerkennung als Vollgymnasium, an der die Schüler nun erstmalig das Abitur ablegen durften. Die Schülerzahlen hatten sich verdoppelt, die Unterrichtsergebnisse waren glänzend und das Ansehen der Schule war hervorragend.
Die 1905 veröffentlichte Jubiläumsfestschrift unter dem Titel Beiträge zur Geschichte Eschweilers und seines höheren Schulwesens enthält Beiträge, von denen zwei aus Cramers Feder stammen und noch heute Gültigkeit haben: Zur Geschichte des Eschweiler Gymnasiums und Aus der Urzeit Eschweilers und seiner Umgebung.
Als passionierter Hobbyarchäologe erforschte er bereits frühzeitig die Kinzweiler Motten, befasste sich mit lokalen römischen Fundstellen und den Eschweiler Burgen. Eine Sammlung historischer Relikte an der Schule wusste das Interesse der Schüler zu wecken.
Cramer engagierte sich nicht nur mit hohem Einsatz für seine Schule, sondern ehrenamtlich auch im gesellschaftlichen Leben sowie im Vereinsleben der Indestadt. Bereits 1903 kam es zu den Gründungen des Verschönerungs-Vereins der Gemeinde Eschweiler und der Ortsgruppe Eschweiler des Eifelvereins, deren Vorsitz er während seiner Amtszeit in Eschweiler innehatte. Cramers Nachfolger Notar Krüll des heute noch in Eschweiler sehr aktiven Eifelvereins würdigte ihn bei seiner Verabschiedung: »Sie haben in Eschweiler die Lust am Wandern und die Liebe und Freude an der herrlichen Gotteswelt mächtig geweckt.« Cramers rege Mitarbeit im Eifelverein bezeugen seine zahlreichen Publikationen und Vorstandsarbeit.
Horst Schmidt: Zur Erinnerung an Dr. Franz Cramer (1860 – 1923). In: EGV Schriftenreihe 28. Eschweiler: 2012, Seite 94 – 117.

Dr. Ludwig Carbyn hat in seiner kurzen Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Eschweiler vom 12.02.1903 bis zu seinem plötzlichen Tod am 13.10.1910 die Stadt in allen Bereichen nachhaltig und entscheidend um- und neu gestaltet und gilt bis heute als der bedeutendste unter den Bürgermeistern.
Ein Zeitungsnachruf im »Boten an der Inde« vom 15 Oktober 1910 beschreibt dies treffend: »Unter seiner Ägidie hat sich Eschweiler außerordentlich entwickelt und sein Antlitz erneuert. Aus einem Weiler ist eine Stadt geworden. Ordnungsgemäßes Straßenpflaster, Bürgersteige, Kanalisation, Kläranlage, Wasserwerk, Elektrizitätswerke, gärtnerische Anlagen, Uferbefestigungen und Inderegulierungen, Kriegerdenkmal, Übernahme der Bade- und Waschanstalt, Reichsbankneubau, neue Volks- und höhere Schulanstalten, städtische Volksbibliothek und Lesehalle, Ausbau der populärwissenschaftlichen Vorträge, städtische Kapelle, Erwerb von Grundeigentum für die Stadt, Erschließung neuen Geländes für die Bebauung, Zuführung neuer Industriezweige (Braunkohle), Unterstützung des Arbeiterwohnungswesens, Besorgung billiger Baukapitalien an kleine Leute durch die von ihm ins Leben gerufene städtische Sparkasse, Arbeitsnachweis, Förderung aller sozialen und caritativen Vereine.« All dies zeugt beeindruckend vom umfangreichen Lebenswerk des plötzlich Verstorbenen, der Eschweiler vom dörflich geprägten Gemeinwesen zur modernen Industriestadt führte.
Carbyn, am 22. Februar 1871 in Krefeld geboren, kurze Zeit tätig als Gerichtsassessor in Ratingen, bekleidete seit 1901 das Amt eines Städtischen Beigeordneten. Dem promovierten tüchtigen Juristen und außerordentlich fleißigen Beamten wurde 1902 das Bürgermeisteramt für 12 Jahre angetragen, wovon er aber nur sieben wirken konnte. Er starb im Alter von nur 39 Jahren an einer Blinddarmentzündung.
Die Stadt Eschweiler benannte zwei Straßen nach Ludwig Carbyn und hält somit die Erinnerung an diesen tatkräftigen und um die Stadt äußerst verdienstvollen Bürgermeister wach. 1925 wurde die Carbynstraße in der Nähe des Städtischen Gymnasiums und 1928 die Ludwigstraße, an der die von Carbyn gegründete Wohnungsbaugenossenschaft eine Wohnsiedlung errichten ließ, nach ihm benannt. Eine weitere Erinnerung stellt das heutige Carbyn-Denkmal in der Parkanlage Ecke Franzstraße/Bismarckstraße dar, das in den 1920er Jahren in der Nähe des Städtischen Gymnasiums errichtet wurde.
Simon Küpper: Dr. Ludwig Carbyn, Bürgermeister von 1903 – 1910. In: EGV Schriftenreihe 25. Eschweiler: 2008, Seite 35 – 40. — Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 57 – 59.

Wilhelm Rinkens erblickte im Eschweiler Stadtteil Röhe am 15. Juni 1879 das Licht der Welt, dessen aus Westfalen stammender Vater hier als Dorfschullehrer fungierte.
In früher Jugend verzog die Familie nach Köln, wo Mäzene dem jungen 14-jährigen musikbegeisterten Meisterschüler Unterricht bei renommierten Klavierlehrern, Organisten und Komponisten verschafften. In jungen Jahren betätigte er sich schon als Komponist und trat als Solist an Piano und Orgel bei Konzertreisen auf, auch begleitete er musikalisch namhafte Sängerinnen bei deren Auftritten.
Bereits mit 26 Jahren wurde er 1905 Musikdirektor in Recklinghausen, ein Jahr später avancierte er zum Musikdirektor in Eisenach (Thüringen). 1922 ernannte ihn die Thüringer Regierung zum Professor. Dort wirkte er bis zu seinem allzu frühen Tod im Jahre 1933.
»Rinkens, über den bereits 1923, also noch zu seinen Lebzeiten, aus der Feder des Musikhistorikers Prof. Max Chop eine Biographie erschien, wirkte als Musikpädagoge an Thüringischen Musikseminaren und Gymnasien, konzertierte daneben als Solist (Piano, Orgel) in ganz Deutschland, leitete mehrere bekannte Chöre in Eisenach und Erfurt und schuf vor allem unzählige Kompositionen, darunter Lieder für Solostimmen, Chorwerke, Kammermusik, Sinfonien und auch Opern. Bis in unsere Zeit ›gehalten‹ haben sich vor allem etliche Kompositionen Rinkens´ für Chöre, die noch heute zum Repertoire vieler Gesangsformationen gehören«, schreibt Horst Schmidt in seinem Buch Eschweiler Biographien.
Rinkens verstarb völlig unerwartet am 25. Juni 1933 in Eisenach an einem Herzinfarkt. Des Ausnahmemusikers und –komponisten, der selbst den Kontakt zur Heimat stets gepflegt hat, wird heute durch die Namensgebung »Rinkensplatz« im Zentrum von Röhe gedacht.
Simon Küpper: Wilhelm Rinkens zum Gedächtnis. In: EGV Schriftenreihe 2. Eschweiler: 1979, Seite 39 – 40. — Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 71 – 73.

Götz Briefs erblickte als Gottfried Anton Briefs am 1. Januar 1889 in der Mühlenstraße 88a das Licht der Welt. Er stammte aus einer kinderreichen Familie. Der Vater arbeitete in der nahe gelegenen Drahtfabrik. Eine wohlhabende Tante, Josefine Denzer, geb. Briefs, finanzierte das Studium des überaus intelligenten Absolventen des Eschweiler Realgymnasiums in der Grabenstraße.
Seine Studien führten ihn nach München, Bonn, Freiburg, ein längerer Studienaufenthalt nach London. Bereits 1911 promovierte er – mit 22 Jahren. Zwei Jahre später habilitierte er sich mit dem Werk Untersuchung der klassischen Nationalökonomie in Freiburg. Er war damals mit 25 Jahren der jüngste Professor im Deutschen Reich. Wegen eines Sehfehlers kriegsuntauglich, wurde er Berater der Reichsregierung in Berlin und konnte hier mit bedeutenden Persönlichkeiten Kontakte knüpfen, die teils lebenslang bestanden.
In der Weimarer Republik (1918/1919 – 1933) kehrte er nach Lehrtätigkeiten in Freiburg und Würzburg 1926 nach Berlin zurück und nahm die Berufung als Volkswirtschaftler an der technischen Universität an. Das zweimalige Angebot der Übernahme von Ministerämtern lehnte er ab. Er strebte nach politischer Unabhängigkeit, um sich als Kämpfer für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen zu können.
Götz Briefs war überzeugter Katholik und lehnte die NS-Ideologie ab. Seine Vorlesungen wurden durch Anhänger des Nationalsozialismus oftmals bis zum Abbruch gestört. Nach eindringlichen Warnungen verließen er, Ehefrau und vier Kinder 1934 Deutschland. Von 1934 bis 1937 lehrte Briefs als Gastprofessor an der Catholic University of America in Washington und wurde in dieser Zeit amerikanischer Staatsbürger. 1937 wurde er als Ordinarius an die renommierte Georgetown University Washington berufen, an der er 1956 Dekan wurde und bis zu seiner Emeritierung 1957 Wirtschaftswissenschaften lehrte. Als Theoretiker der sozialen Marktwirtschaft, als Betriebssoziologe und als Gewerkschaftsforscher war Briefs so angesehen, dass ihm gleich sechs Universitäten einen Ehrendoktor verliehen. Im Zweiten Weltkrieg berief ihn die US-Regierung als Berater, nach dem Krieg widersetzte er sich erfolgreich den Werksdemontagen durch die Alliierten. Er war einer der geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft nach 1948. Seine Vorkriegskontakte zu Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack, Franz Böhm u. a. kamen ihm dabei zugute. Von Bundespräsident Theodor Heuß wurde er 1968 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet.
Der im Glauben fest verwurzelte Götz Briefs verstarb am 16. Mai 1974 in Bracianco bei Rom. Auf dem Friedhof der Deutschen, dem Campo Santo Teutonico, fand der bedeutende Sohn Eschweilers seine letzte Ruhestätte.
Der Götz-Briefs-Weg entlang der Inde am Arbeitsamt vorbei trägt seinen Namen seit 1989, ihm gewidmet an seinem 100. Geburtstag 1989.
Rudolf Briefs: Professor Götz Briefs, ein bedeutender Sohn unserer Stadt. In: EGV Schriftenreihe 11. Eschweiler: 1989, Seite 60 – 77. — Horst Schmidt: Eschweiler Persönlichkeiten. Eschweiler: 2009, Seite 83 – 85.